Tasting: Brunello meets Barolo

am 24.04.2016

Moderne trifft Tradition

 

Was macht Brunello und Barolo so besonders? Traditioneller oder moderner Stil - was bedeutet es? Eher jung oder doch lieber gereifter? Fragen denen wir genussvoll an einem schönen Abend etwas auf den Grund gegangen sind. Selbstverständlich geht es bei diesem wunderbaren aber komplexen Thema nur darum, mal einen ersten tieferen genussvollen Einblick zu gewinnen. Wann hat man schon mal die Gelegenheit gleich eine ganze Reihe wunderbare Baroli und Brunelli nebeneinander zu probieren? Es gibt ausschließlich Klassiker der jeweiligen Stilrichtungen und Raritäten.

Fazit:

 

Brunello meets Barolo - alleine daran könnte ich mich gewöhnen.

 

Tradition vs. Moderne - auch da scheint was dran zu sein. Ist die Aussage aber allgemeingültig? Sicher nicht! Dazu war es eine zu kleine Auswahl. Aber es wäre mal interessant es heraus zu finden, großflächig - also ich wäre dabei! :D

 

Bei der Traditionellen Richtung (Brunello wie Barolo) fällt auf, dass die Frucht durchaus eher zurück genommen ist, Säure und Tannine aber vergleichsweise wesentlich kräftiger sind. Die Aromatik ist meist auch anders, gerade mit etwas Reife kommen eher Reifearomen wie Waldboden, Leder, florale Noten und im Extrem einmal auch etwas Teer vor.


Die Vertreter der modernen Richtung sind da durchweg alle zugänglicher und wie im Falle von Elio Altare aus 2011 schon wesentlich früher trinkreif. Säure und Tannine sind verhaltener, vergleichsweise eher zurück genommen und die Frucht ist wesentlich intensiver und vordergründiger. Hinzu kommen oft Aromen von Schokolade und insbesondere Vanille - Barrique lässt grüßen!

 

ABER:  mind. eine Sache macht die Unterscheidung zwischen beiden Stilen hinsichtlich ihres Geschmackes dennoch sehr schwierig. Dies ist schlicht die jeweilige Lage der Weinberge.

Bei Brunelli werden die Reben im Norden zum einen durch die Galestro Erde (eine Tonerde durchsetzt mit Schiefer, extrem fett an Mineralien, Eisen und Kupfer) und zum anderen durch die zumeist höher gelegenen Lagen (kühleres Klima) beeinflusst. Dadurch entstehen meist etwas schlankere mineralischere Weine mit einer kräftigeren Säure. Im südlichen Gebiet hat die Erde noch mehr Ton und das Klima ist zumeist wärmer, was zu einer früheren Ernte (bis zu einer Woche) führt. Als Ergebnis sind die Weine aus dem Süden oft wesentlich voller und direkter von der Frucht als die aus dem Norden. Letztere sind vergleichsweise oft  aromatischer.

 

Bei Baroli hat der Aspekt der Lage ebenfalls einen wesentlichen Einfluss. Weine aus La Morra sind meist weicher, fruchtiger, sehr aromatisch und reifen schneller. Weine aus Monforte d Alba und Serralunga d Alba sind hingegen oft intensivere, sehr gut strukturierte Weine die langsamer reifen.

Die Weine im Einzelnen:

 

2006 I1 Marroneto Madonna delle Grazie, Brunello di Montalcino

Für mich der reine Ausdruck eines präzisen Sangioveses wie er im etwas wärmeren Klima um Montalcino vorkommt. Das aber in einer traditionellen Stilistik. In der Nase kommen florale Noten (Veilchen) aus dem Glas, etwas Waldboden und dezent dunkle Beeren. Die Frucht ist eher zurückhaltend, die Säure kräftig und bildet ein schönes Rückgrat, Die Tannine sind kräftig aber reif und gut integriert. Ich würde sagen klassisch traditionell.

 

 

2006 Il Poggione Brunello di Montalcino Riserva Paganelli

Er ist komplex, sehr tief und dicht, hat viel Kraft und Power mit einem wahnsinns Mundgefühl, voll im Körper mit sehr viel Extrakt. Ein absoluter Powerwein. Zusammen mit seiner kräftigen, lebendigen und schön balancierten Säure, den straffen, zupackenden und gut eingebunden Tanninen und dem hohen Alkohol Level wirkt er fast noch ein wenig ungestüm. Mehr Zeit zum Atmen oder im Keller schadet hier sicher nicht! Letzteres wird ihm sicher noch einiges an Entwicklung bescheren. Die Aromen an sich waren mindestens genauso spannend mit dunklen Beeren (Brombeeren, schwarze Johannisbeeren), Gewürze, etwas Lakritz und leicht Tabak. Alles ist sehr voll, intensiv und langanhaltend. Ist dies ein traditioneller Stil? Ich bin mir nicht ganz schlüssig!? Auf jeden Fall macht riesen Spaß!

 

 

2004 Casanova di Neri, Brunello di Montalcino

Jetzt kommt der erste Brunello in einer modernen Stilistik. Nur leider passierte genau das, was man gar nicht gebrauchen kann. Der Wein war völlig oxidiert und ungenießbar. Zumindest war er gut, um als "Maggi Wein" für einen Runing Gag herzuhalten. Aber manchmal hat man ja eine Konterflasche. Also die aufgezogen! Doof nur wenn die in der Nase noch schlimmer nach Maggi  riecht. Stimmen wurden laut, dass wenn dies der moderne Stil ist, dann bleiben alle doch lieber beim Traditionalisten. Am Gaumen war er jedoch erstaunlicherweise noch relativ gut zu trinken und man konnte den Wein und seinen Stil dennoch gut erkennen. Hier nur ganz leicht Maggi oder wie freundliche Stimmen sagten Liebstöckel. In seiner Stilistik stand ganz klar die Frucht im Vordergrund, dunkle Beeren, die Säure und Tannine eher moderat und vergleichsweise zurück genommen. Die Aromen werden ergänzt durch Schokolade und Vanille - ganz typisch für einen modernen Stil.

 

 

2006 Pacenti Siro, Brunello di Montalcino

Der zweite Brunello im modernen Stil war glücklicherweise Ok. Mit seinen Aromatik in der Nase ließ er jedoch viele etwas ratlos zurück. Sie war nicht wirklich klar, aber nach einiger Zeit einigten wir uns auf Pinienwald in der Toskana. Klingt irgendwie logisch, zumindest mit dem Wein im Glas. Am Gaumen dann zum Glück wieder recht klar. Er ist wesentlich weicher, runder und zugänglicher als die ersten beiden. Die Säure und Tannine sind weitaus weniger kräftig und vordergründig. Der Extrakt Level war etwas niedriger und Aromen von Schokolade und Vanille kamen hoch - Barrique lässt grüßen, ganz typisch moderner Stil.

 

 

1978 Biondi Santi Annata, Brunello di Montalcino

Für mich gab es etwas zu feiern und wenn wir schon so schön zusammen sitzen, dann "schmeiße" ich doch noch etwas Feines in die Runde. Für mich eine Rarität und als ein Weingut was den Brunello so maßgeblich mit geprägt und sogar begründet hat, ein Paradebeispiel eines Traditionalisten.

Am vorderen Gaumen war er eher etwas zurückhaltend, entwickelte aber in der Mitte und hinten heraus eine wunderbare Eleganz, Intensität und Tiefe. Ähnlich der Abgang, wunderbar lang, elegant und tief, alles rund, weich und perfekt in Balance. Die Tannine waren sehr fein geschliffen, integriert und zurückhaltend. Die Säure war erfreulicherweise noch sehr frisch und lebendig, gut balanciert und nicht herausstechend. Ein Wein auf den man sich einlassen kann, der einem viel aus der Vergangenheit zu erzählen weiß und zum Rücklehnen und genießen einlädt - wunderbar!

Sicherlich ist er schon am Höhepunkt oder hat ihn leicht überschritten -  aber ein echter Gentleman und eine wunderbare Erfahrung. So kann Wein auch, großartig!

 

 

2006 Cavallotto Fratelli Bricco Boschis, Barolo

Jetzt kam der erste Barolo in die Gläser, wieder mit traditionellem Einschlag. Obwohl schon ein paar Jahre alt, ist er noch mitten in seiner vollen Entwicklung mit einer wunderbaren Tiefe, Dichte und Komplexität. Ich bin sicher, eine weitere Reifezeit wird er mit weiterer Komplexität und der Entwicklung weiterer tertiärer Aromen belohnen. In der Nase ist er klassisch: Rosen, etwas Veilchen, dunkle Kirschen und etwas erdiges. Insbesondere wenn man ihm etwas Luft durch Schwenken des Glases gönnt, legt er noch zu. Ich hätte ihn einfach im Dekanter lassen sollen. Am Gaumen ist die Frucht eher verhaltend, wieder dunkle Kirschen, etwas erdiges in Richtung Waldboden, etwas Gewürze und ein sensationeller langer und komplexer Abgang - Wahnsinn! Er hat richtig viel Extrakt abbekommen und zusammen mit dem hohen Alkohol Level führt es zu einem sehr vollen Mundgefühl. Typischerweise sind sowohl die Säure als auch die Tannine sehr kräftig und präsent, aber beides wirklich gut integriert und balanciert. So stelle ich mir einen Barolo im traditionellen Stil vor. Toller Barolo und man sollte sich die ein oder andere Flasche "bunkern" und mal schauen was da passiert.

 

 

2011 Barolo von Aldi für € 8 als Pirat.

Ja, was soll man dazu sagen. Es ist ein Rotwein, irgendwie. Kein Barolo, aber eine fruchtbetonter Rotwein. Keine Ahnung wie das, was da im Glas ist, zu Barolo passen soll, aber steht Barolo drauf. Er wirkte gemacht, völlig unnatürlich, viel zu fruchtig, viel zu viel süße Frucht, Gummibärchen kam bei einigen ins Gespräch. Da war Holz, deutlich zu spüren, aber im Wein integriert? Fehlanzeige! Säure? Gleiches Spiel! Irgendwie passte, wenn man mal richtig hin schmeckt, hier nix zusammen.

Das was es zu zeigen galt, ging auf. Er war blind deutlich auffällig unter allen. Barolos haben leider Ihren Preis und zu diesem Preis gibt es einfach max. einen irgendwie trinkbaren Rotwein.

 

 

1985 Borgogno Giacomo Riserva, Barolo

Eine absolute Rarität und der Traditionalist wie er im Buche steht. Die erste Überraschung als er ins Glas kam, war die Farbe. Ist Barolo nicht eher hell in der Farbe und im Alter mit einem leichten braunen Rand im Glas? Was hierein kam verblüffte, dunkles, tiefes fast Grant Rot ohne den üblichen braunen Rand! In der Nase wirkte er zunächst fast etwas verschlossen, öffnet sich aber mit zunehmendem Schwenken im Glas. Alle Weine wurden zuvor dekantiert und wieder zurück in die Flasche gefüllt, dieser nicht. Geschah aus Angst was der "Sauerstoff-Schock" mit ihm anstellt. Ein Fehler, wie sich rausstellte... Er braucht Luft um sich richtig entfalten zu können. Dennoch kamen relativ schnell Aromen dunkler Johannisbeere, etwas Pflaume, Waldboden, Leder (vor allem hinten raus) und mit zunehmender Luft kam noch Lakritz, etwas weiße Trüffel und dezent Teer hinzu. Somit ganz typische Aromen des traditionellen Stils für gereifte Barolos. Ganz am Ende ein leichter Muffton, der aber mit zunehmender Luft zurückgeht. Kräftige, sehr lebendige und gut eingebundene Säure, ebenso wie die kräftigen sehr präsenten Tannine verraten zudem, dass er noch einige Jahre vor sich hat. Wunderbar, eine Rarität die nach 20 Jahren noch so präsent, komplex und powervoll ganz viel Spaß bereiten kann. Für mich großes Kino!

 

 

2011 Altare Elio, Barolo  aus La Morra

So, der erste Barolo modernen Stils. Welcher wäre da besser geeignet, als der Wegbereiter des modernen Stils im Barolo - Elio Altare? Schon in der Nase wurde sofort klar, hier ist ein völlig anderer Stil von Wein im Glas - erst recht wenn man auf das Alter schaut. Er ist wesentlich floraler, mit fast süßlicher Kirsche, Vanille und leicht Schokolade in der Nase. Am Gaumen entpuppt sich die süßliche Kirsche dann als waschechte Amarenakirsche, zu der sich ebenfalls Vanille und etwas Schokolade gesellen. Hinsichtlich der Tannine ist er vergleichs-weise ein wahrer Gaumenschmeichler, reif und weich waren die Tannine, ebenso wie die Säure. Der Abgang war wunderbar lang und fruchtgetragen, alles in Balance und in sich stimmig. Die Frage ist nur, mag man diese Art des modernen Stil oder eben nicht. Ich mochte ihn. Zweifelsfrei eine wirklich sehr gute Qualität und es macht neugierig, wie er sich in ein paar Jahren verändert hätte.   

 

 

2004 Boglietti Enzo Brunate, Barolo aus La Morra

Den Abschluss bildete ein wunderbarer Barolo aus der Top-Lage Brunate. Schon in der Nase war er noch wesentlich tiefer und komplexer als der Elio Altare mit viel Veilchen und schwarzen Kirschen- irgendwie etwas parfümiert. Am Gaumen ebenfalls sehr tief und dicht, noch komplexer als der Altare. An Aromen waren etwas Erdbeere, vor allem Pflaume und schwarze Kirschen auszumachen, unterstützt von etwas Teer und vor allem Schokolade. Die Tannine waren reif und gut integriert und ebenso wie die Säure eher moderat.  Ebenso der Abgang, er ist extrem lang tief und von der Frucht getragen - könnte man sich irgendwie auch dran gewöhnen und direkt größere Mengen probiere.

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