Tasting: Brunello meets Barolo - Tradition vs. Moderne

am 31.10.2016

Moderne trifft auf Tradition

 

Was macht Brunello und Barolo so besonders? Traditioneller oder moderner Stil - was bedeutet es? Eher jung oder doch lieber gereifter? Wir wollten es etwas genauer wissen. Selbstverständlich geht es bei diesem wunderbaren aber komplexen Thema nur darum, mal einen ersten tieferen genussvollen Einblick zu gewinnen. Wann hat man schon mal die Gelegenheit gleich eine ganze Reihe wunderbare Baroli und Brunelli nebeneinander zu probieren? Es gibt ausschließlich Klassiker der jeweiligen Stilrichtungen und Raritäten.

Fazit:

Tradition vs. Moderne - auch da scheint was dran zu sein. Ist die Aussage aber allgemeingültig? Sicher nicht! Dazu war es eine zu kleine Auswahl.

 

Bei der Traditionellen Richtung (Brunello wie Barolo) fiel auf, dass die Frucht durchaus eher zurück genommen ist, Säure und Tannine aber vergleichsweise wesentlich kräftiger sind. Die Aromatik ist meist auch anders, gerade mit etwas Reife kommen eher Reifearomen wie Waldboden, Leder, florale Noten und im Extrem einmal auch etwas Teer vor.


Die Vertreter der modernen Richtung sind da durchweg alle zugänglicher und wie im Falle von Elio Altare aus 2011 schon wesentlich früher trinkreif. Säure und Tannine sind verhaltener, vergleichsweise eher zurück genommen und die Frucht (eher dunkelbeerig) ist wesentlich intensiver und vordergründiger. Hinzu kommen oft Aromen von Schokolade und insbesondere Vanille - Barrique lässt grüßen!

 

ABER:  mind. eine Sache macht die Unterscheidung zwischen beiden Stilen hinsichtlich ihres Geschmackes dennoch sehr schwierig. Dies ist schlicht die jeweilige Lage der Weinberge.

 

Bei Brunelli werden die Reben im Norden zum einen durch die Galestro Erde (eine Tonerde durchsetzt mit Schiefer, extrem fett an Mineralien, Eisen und Kupfer) und zum anderen durch die zumeist höher gelegenen Lagen (kühleres Klima) beeinflusst. Dadurch entstehen meist etwas schlankere mineralischere Weine mit einer kräftigeren Säure. Im südlichen Gebiet hat die Erde noch mehr Ton und das Klima ist zumeist wärmer, was zu einer früheren Ernte (bis zu einer Woche) führt. Als Ergebnis sind die Weine aus dem Süden oft wesentlich voller und direkter von der Frucht als die aus dem Norden. Letztere sind vergleichsweise oft  aromatischer.

 

Bei Baroli hat der Aspekt der Lage ebenfalls einen wesentlichen Einfluss. Weine aus La Morra und Barolo sind meist weicher, fruchtiger, sehr aromatisch und reifen schneller. Weine aus Monforte d Alba und Serralunga d Alba sind hingegen oft intensivere, sehr gut strukturierte Weine die langsamer reifen.

Die Weine im Einzelnen:

 

2006 I1 Marroneto Madonna delle Grazie, Brunello di Montalcino

Für mich der reine Ausdruck eines präzisen Sangioveses wie er im etwas wärmeren Klima um Montalcino vorkommt. Das aber in einer traditionellen Stilistik. In der Nase kommen florale Noten (Veilchen) aus dem Glas, etwas Waldboden und dezent dunkle Beeren. Die Frucht ist eher zurückhaltend, die Säure kräftig und bildet ein schönes Rückgrat, Die Tannine sind kräftig aber reif und gut integriert. Ich würde sagen klassisch traditionell.

 

 

2006 Il Poggione Brunello di Montalcino Riserva Paganelli

Er ist komplex, sehr tief und dicht, hat viel Kraft und Power mit einem tollen Mundgefühl, voll im Körper mit sehr viel Extrakt. Ein absoluter Powerwein. Zusammen mit seiner kräftigen, lebendigen und schön balancierten Säure, den straffen, zupackenden und gut eingebunden Tanninen und dem hohen Alkohol Level wirkt er fast noch ein wenig ungestüm. Mehr Zeit zum Atmen oder im Keller schadet hier sicher nicht! Letzteres wird ihm sicher noch einiges an Entwicklung bescheren. Die Aromen an sich waren mindestens genauso spannend mit dunklen Beeren (Brombeeren, schwarze Johannisbeeren), Gewürze, etwas Lakritz und leicht Tabak. Alles ist sehr voll, intensiv und langanhaltend. Intensive Fruchtnoten, aber auch sehr erdig. im Gesamtpaket schon auf der traditionellen Seite, wenn auch von der Aromatik nicht ganz klar.  Er hat großes Potential und ist ein fantastischer Wein!!! 

 

2004 Fanti, Brunello di Montalcino

Jetzt kommt der erste Brunello modernen Stils in die Gläser und sofort wird schon in der Nase klar was der Unterschied ist. Er ist von der Frucht her wesentlich vordergründiger mit eher dunklen Beeren, etwas Schokolade und Vanille. Am Gaumen dann das gleiche Spiel, voll, rund und vergleichsweise weich mit einer reifen moderaten Säure, schön balanciert und dem Wein immer noch eine schöne Frische gebend. Die Tannine sind ebenfalls sehr weich, rund und fast schon zurückhaltend. Sicherlich half hier noch das Alter mit. Ein langer Abgang mit dunklen Beeren und leicht Vanille verstärkt dann den Eindruck eines schönen Brunellos, modernen Stils, mit einem recht guten preis-Leistungsverhältnis. 

 

2006 Pacenti Siro, Brunello di Montalcino

Der zweite Brunello im modernen Stil konnte wunderbar noch eine Schippe an Komplexität und Tiefe drauflegen. Mit seinen Aromatik in der Nase ließ er jedoch viele etwas ratlos zurück. Sie war nicht ganz klar den verschiedenen Aromen zuzuordnen. Am Gaumen war er jedoch wieder recht klar. Er ist wesentlich weicher, runder und zugänglicher als die beiden traditionellen. Die Säure und Tannine sind weitaus weniger kräftig und vordergründig. Der Extrakt Level war etwas niedriger und Aromen von Schokolade und Vanille kamen hoch - Barrique lässt grüßen, ganz typisch moderner Stil.

 

 

2006 Cavallotto Fratelli Bricco Boschis, Barolo

Jetzt kam der erste Barolo in die Gläser, wieder mit traditionellem Einschlag. Obwohl schon ein paar Jahre alt, ist er noch mitten in seiner vollen Entwicklung mit einer wunderbaren Tiefe, Dichte und Komplexität. Ich bin sicher, eine weitere Reifezeit wird er mit weiterer

Komplexität und der Entwicklung weiterer tertiärer Aromen belohnen. In der Nase ist er klassisch: Rosen, etwas Veilchen, dunkle Kirschen und etwas erdiges. Insbesondere wenn man ihm etwas Luft durch Schwenken des Glases gönnt, legt er noch zu. Ich hätte ihn einfach im Dekanter lassen sollen. Am Gaumen ist die Frucht eher verhaltend, wieder dunkle Kirschen, etwas erdiges in Richtung Waldboden, etwas Gewürze und ein sensationeller langer und komplexer Abgang - Wahnsinn! Er hat richtig viel Extrakt abbekommen und zusammen mit dem hohen Alkohol Level führt es zu einem sehr vollen Mundgefühl. Typischerweise sind sowohl die Säure als auch die Tannine sehr kräftig und präsent, aber beides wirklich gut integriert und balanciert. So stelle ich mir einen Barolo im traditionellen Stil vor. Toller Barolo und man sollte sich die ein oder andere Flasche "bunkern" und mal schauen was da passiert.

 

 

2011 Barolo von Aldi für € 8 als Pirat.

Ja, was soll man dazu sagen. Es ist ein Rotwein, irgendwie. Kein Barolo, aber eine fruchtbetonter Rotwein. Keine Ahnung wie das, was da im Glas ist, zu Barolo passen soll, aber steht Barolo drauf. Er wirkte gemacht, völlig unnatürlich, viel zu fruchtig, viel zu viel süße Frucht, Gummibärchen kam bei einigen ins Gespräch. Da war Holz, deutlich zu spüren, aber im Wein integriert? Fehlanzeige! Säure? Gleiches Spiel! Irgendwie passte, wenn man mal richtig hin schmeckt, hier nix zusammen.

Das was es zu zeigen galt, ging auf. Er war blind deutlich auffällig unter allen. Barolos haben leider Ihren Preis und zu diesem Preis gibt es einfach max. einen irgendwie trinkbaren Rotwein.

 

 

1961 Borgogno Giacomo Riserva, Barolo

Eine absolute Rarität und der Traditionalist wie er im Buche steht. Angesichts des Alters muss ich gestehen hatte ich schon ein wenig Erfurcht. Die wich spätestens als ich den letzten Teil des zur Hälfte durchweichten Korkens eher ungeduldig herausziehen wollte und er abbrach. Das erinnerte mich in dem Moment selbst an ein Kind welches endlich an die Geschenke unter dem Weihnachtsbaum darf und das Geschenkpapier irgendwann ungeduldig abreißt.

Als der letzte Teil des Korkens aus der Flasche war, strömte sofort ein wunderbarer Duft eines reifen Barolos aus der Flasche - es hätte sogar ein Bordeaux sein können. Beim herausgießen des ersten Probeschluckes sah ich leider dass er schon recht viele Schwebeteilchen, auch etwas größere, hatte. Aber das tat ihm keinerlei Abbruch, bei keinem. Bei dem ersten Schluck fand ich mich gedanklich wieder bei den Geschenken und dem Weihnachtsbaum wieder. Er war sofort da, legte im Laufe der nächsten zeit sogar noch etwas zu. In der Nase wie am Gaumen war er wunderbar komplex, tief und intensiv. Er war sehr gereift aber weit davon entfernt müde zu sein. An Aromen fanden ich Tabak, Waldboden, Teer, Leder, etwas an Wildbeeren kam durch und am Gaumen noch zusätzlich rauchig, fleischig und speckig. Die Säue stach nicht heraus, sie war noch recht lebendig, gut eingebunden und balanciert. So wirkte er sehr harmonisch aber unglaublich tief, komplex und lang.

Jeder, egal wieviel Erfahrung mit gereiften Weinen, erkannte sofort welch außergewöhnliche Tropfen man da im Glas hatte. Sicher kein Trinkwein von dem man mal so eben eine Flasche trinkt, eher ein Wein zum eintauchen, entdecken und staunen. Ein Wein der es schafft dass jeder in dem Tasting sich genau an diesen Weine noch sehr lange erinnern wird können. Ich bin fasziniert und er hinterlässt mich mit ein wenig Ehrfurcht.

- wie schön dass es Tastings gibt...

 

 

2011 Altare Elio, Barolo  aus La Morra

Der erste Barolo modernen Stils. Welcher wäre da besser geeignet, als der Wegbereiter des modernen Stils im Barolo - Elio Altare? Schon in der Nase wurde sofort klar, hier ist ein völlig anderer Stil von Wein im Glas - erst recht wenn man auf das Alter schaut. Er ist wesentlich floraler, mit fast süßlicher Kirsche, Vanille und leicht Schokolade in der Nase. Am Gaumen entpuppt sich die süßliche Kirsche dann als waschechte Amarenakirsche, zu der sich ebenfalls Vanille und etwas Schokolade gesellen. Hinsichtlich der Tannine ist er vergleichs-weise ein wahrer Gaumenschmeichler, kräftig aber reif und weicher, ebenso wie die Säure. Der Abgang war wunderbar lang und fruchtgetragen, alles in Balance und in sich stimmig. Die Frage ist nur, mag man diese Art des modernen Stil oder eben nicht. Ich mochte ihn. Zweifelsfrei eine wirklich sehr gute Qualität und es macht neugierig, wie er sich in ein paar Jahren verändert hätte. Vielen war sofort klar dass er eigentlich viel zu jung ist und noch eine wunderbarer Entwicklung vor sich hat.

 

 

2004 Boglietti Enzo Brunate, Barolo aus La Morra

Den Abschluss bildete ein wunderbarer Barolo aus der Top-Lage Brunate. Schon in der Nase war er noch wesentlich tiefer und komplexer als der Elio Altare mit viel Veilchen und schwarzen Kirschen- irgendwie etwas parfümiert. Am Gaumen ebenfalls sehr tief und dicht, noch komplexer als der Altare. An Aromen waren etwas Erdbeere, vor allem Pflaume und schwarze Kirschen auszumachen, unterstützt von etwas Teer und vor allem Schokolade, auch etwas Vanille. Die Tannine waren reif und gut integriert und ebenso wie die Säure eher moderat.  Ebenso der Abgang, er ist extrem lang tief und von der Frucht getragen - könnte man sich irgendwie auch dran gewöhnen und direkt größere Mengen probiere. Ein wunderbarer Abschluss dieses Tastings.

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